Umfeld

Das Training eines Pferdes ist nur ein kleiner Teil seines Lebens. Wenn es eine Stunde am Tag arbeitet, bleiben 23 Stunden, die sein Leben viel stärker prägen.

Ich bin davon überzeugt, dass die Haltungsform einen ganz wesentlichen Einfluss auf Gesundheit und Wohlergehen hat – und letztlich auch auf den Trainingserfolg.

Die Laufstall-Arbeits-Gemeinschaft für artgerechte Pferdehaltung e.V. hat die Grundbedürfnisse der Pferde in sieben Kategorien unterteilt:

  • Sozialverhalten
  • Bewegung
  • Ruheverhalten
  • Ernährung
  • Klima
  • Gesundheit
  • bauliche Anlagen

Sozialverhalten

Pferde sind sehr soziale Tiere, die andere Pferde brauchen, um sich wohl zu fühlen.

Die Minimalanforderung von „Sicht-, Hör- und Riechkontakt reicht für ein artgerechtes, stressfreies Leben nicht aus. Denn auch der Körperkontakt, z.B. bei der Fellpflege, ist wichtig.

Das heißt aber nicht, dass man beliebige Pferde auf engem Raum zusammen stellen und dann ihrem Schicksal überlassen soll. Man benötigt ausreichend Fläche (ideal sind über 300 qm je Pferd), die gut strukturiert sein muss. Und man sollte Neuzugängen und Herde Zeit geben, sich aneinander zu gewöhnen. Oft kann ein Neuzugang schon nach einigen Tagen zu den anderen Pferden gelassen werden, aber bis er wirklich „angekommen“ ist und die neue Rangordnung sind gefestigt hat vergehen in der Regel ein paar Monate.

Es ist die Aufgabe des Menschen, stets das Wohlergehen aller Herdenmitglieder im Auge zu haben und dafür zu sorgen, dass alle Tiere ihre Grundbedürfnisse, vor allem Fressen und Ruhen/Schlafen, stressfrei erfüllen können. Und das geht nur, wenn die Zusammenstellung der Herde und die baulichen Anlagen stimmig sind.

Bewegung

Die freie Bewegung – also ohne Reiter, Longe, Führmaschine etc – ist für Pferde sehr wichtig. Die Gelenke werden dabei „geschmiert“, der Darm bewegt (was wiederum die Verdauung fördert und Koliken vorbeugt), und das Pferd kann seine Instinkte ausleben.

Ein Großteil der freien Bewegung besteht bei Pferden, die jederzeit die Möglichkeit dazu haben, aus gemütlichem Schritt. Aber auch Spielen und gelegentliches „explosives“ Verhalten gehören dazu. Bodenbelag und Platzangebot sollten beides ermöglichen.

Ein Pferd, das alleine auf einem reizarmen, womöglich auch noch matschigem Paddock steht, wird sich kaum freiwillig bewegen. Die Interpretation, dass es „wieder in seine Box will“ ist aber nur die halbe Wahrheit. Vielmehr sollte das Ziel sein, eine Umgebung zu schaffen, in der es sich wohl fühlt und gerne bewegt. Dafür braucht der Auslauf Struktur, z. B. durch verteilt liegende Fredsplätze oder einen Aussichtshügel.

Ruheverhalten

Zum Ruheverhalten gehören sowohl das entspannte Dösen im Stehen, als auch das Liegen in Kauerhaltung und das Schlafen in Seitenlage.

Alle drei Formen des Ruhens sind tägliche Bedürfnisse. Damit sie ausgelebt werden können werden geeignete Rückzugsräume und Liegeflächen benötigt. Je dominanter und aggressiver der Herdenchef sich verhält, desto wichtiger ist es, Ruhezonen zu schaffen, die nicht von allen Punkten des Auslaufs einsehbar sind. Trotzdem sollte man natürlich auch der Ursache für das Verhalten des Chefs nachgehen und diese beheben. Oft sind ein zu geringes Platzangebot oder Engpässe beim Futter wesentliche Faktoren.

Die Bewertung einer Liegefläche ist eigentlich ganz einfach: Wenn man selbst sich bedenkenlos in Strasenkleidung fallen lassen kann ist alles in Ordnung. Hat man Sorgen, dass Kot und Urin in die Kleidung einziehen oder dass man sich beim Aufprall auf dem Boden Prellungen zuzieht ist das ein klares Zeichen, dass die Fläche ungeeignet ist.

Je älter ein Pferd wird, desto mehr Platz benötigt es, damit eine Liegefläche als solche akzeptiert wird. Denn wenn zum Aufstehen ggf. mehrere Versuche notwendig sind, verändert sich jedes Mal die Position und das Pferd sollte nirgendwo anecken. Gerade wenn sich Arthrosen einstellen wird das Aufstehen beschwerlicher, umso wichtiger ist ein griffiger Untergrund.

Stimmt der Bodenbelag? Dann sollte man noch einmal den Blick schweifen lassen. Im Gegensatz zu uns Menschen sind Pferde keine Höhlentiere, sondern in der Steppe zu Hause. Als Fluchttiere benötigen sie einen guten Fernblick, um sich sicher zu fühlen. Das gilt vor allem für die Liegefläche. Deswegen ist eine offene Stallfront in der Regel besser als schmale Durchgänge, und ein Windschutznetz ggf. einer blickdichten Wand vorzuziehen.

Im Sommer spielt zusätzlich der Sonnen- und Insektenschutz eine Rolle bei der Entspannung, im Winter kann gefrorener oder matschiger Boden nicht nur das Liegen, sondern auch schon das Dösen negativ beeinflussen. Tiefer Matsch kann potentielle Fluchtwege und Ausweichmöglichkeiten einschränken und dadurch den Stress gerade für rangniedrige Pferde erhöhen.

Ernährung

Der Magen eines Pferdes produziert kontinuierlich Magensäure. Deswegen ist eine möglichst stetige Aufnahme von strukturreichem Futter wichtig.

Pferde fressen in der Natur etwa 16 Stunden am Tag – und sie bewegen sich dabei fortwährend langsam vorwärts. Das Futter ist dabei strukturreich und nährstoffarm.

In Büchern zur Rationsberechnung finden sich oft Begriffe wie leichte, mittlere und schwere Arbeit. Die werden nur häufig falsch interpretiert. Als mittlere Arbeit würde man ein M-Springen inkl. Vorbereitungszeit einstufen. Damit wird klar, dass die meisten Freizeitpferde sich eher im Bereich keine bis leichte Arbeit bewegen. Und da reicht beim gesunden Pferd meist eine ausreichende Heufütterung, Kraftfutter benötigt ein Pferd in dieser Leistungsklasse in der Regel nicht. Beim Heu sollte es allerdings – außer bei extrem leichtfuttrigen Kandidaten – nicht weniger als 1,5-2 kg Heu pro 100 kg Körpergewicht am Tag sein. Und das so aufgeteilt, dass keine Fresspause von mehr als 4 Stunden entsteht.

Weidehaltung kann viele Grundbedürfnisse erfüllen: kontinuierliche Futteraufnahme, ständige Bewegung, Herdenverband. Nur ist das Gras häufig zu nährstoffreich und faserarm. Es kann Jahre dauern, eine auf die Bedürfnisse der Rinderhaltung ausgelegte Weide zu transformieren, so dass sie für die Pferdehaltung geeignet ist. Wobei die regionalen Unterschiede innerhalb Deutschlands enorm sind. Unter dem Stichwort LUFA findet man Labore, die Futtermittel analysieren – eine lohnende Investition. Denn man sieht Heu und Gras den Zuckergehalt nicht an.

Wasser in Trinkwasserqualität sollte Pferden ständig zur Verfügung stehen. Das bedeutet:

  • schwimmertränken oder Bottiche mit ausreichend Volumen verwenden, damit das Pferd einige Liter auf einmal trinken kann, ohne auf Nachlauf warten zu müssen
  • Tränke möglichst niedrig montieren, damit das Pferd gut schlucken kann – oberhalb des Buggelenks ist ein no-go
  • Tränke mindestens einmal täglich mit einer Bürste reinigen
  • bei Verwendung von Brunnenwasser regelmäßig Proben untersuchen lassen
  • lebensmittelechte Materialien verwenden
  • Fausregel: ab und zu selbst mal einen Schluck aus der Tränke nehmen – dann stimmt die Qualität